via integralis Newsletter Nummer 12, 26. November 2021
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Newsletter Nummer 12, 26. November 2021
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Liebe Leserinnen und Leser,
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«Wer Gott umarmt, findet in seinen Armen die
Welt» (Madeleine Delbrêl)
Der spirituelle Weg führt in eine immer tiefer
erfahrene Verbundenheit mit sich selbst, mit dem
göttlichen Urgrund und dadurch mit allem Leben.
Auch wenn wir in der Meditation alles von aussen
Kommende lassen und nach innen gehen, ist das
Ziel des Weges nicht, sich von Ekstase zu
Ekstase zu hangeln und Nabelschau zu betreiben.
Nein, die Aufforderung heisst, beginne bei dir
selbst und du wirst erfahren, dass dein tiefstes
Wesen eins ist mit dem Wesen von allen und
allem. Daraus erwächst ganz natürlich der
Wunsch, dass alle Wesen glücklich und in Frieden
leben können, und nach einem von Herzen
kommenden Engagement für ein Leben in Würde für
alle.
Im spirituellen Impuls «Über das Handeln im
Aussen» schaut Jürgen Lembke auf menschliche
Bedingtheiten und Mechanismen, die auf die
Umsetzung der Intention ethisch zu handeln und
auf ein Engagement für den Frieden erschwerend
wirken. Er bleibt aber nicht dabei stehen. Mit
den drei Grundhaltungen der Zen Peacemaker
«Nicht Wissen», «Zeuge Sein» und «wohlwollendes
Handeln» stellt er uns kraftvolle Pfeiler vor
für das Einüben einer friedvollen Begegnung mit
uns selbst, mit unserem Gegenüber und mit
unserer Mitwelt.
Sepp Seitz erzählt im Interview mit Adrian
Zimmermann von seinem bewegenden Weg aus einem
streng katholischen Umfeld in die Entdeckung der
Welt, die ihn dann auf die Suche nach Innen
geführt hat. Aus der gefundenen Innerlichkeit
und Beheimatung im Tiefsten erwächst ihm eine
grosse Liebe zu Menschen auf der Suche nach
Heimat – und eine grosse Freude an ihnen.
Innerlichkeit äussert sich!
Wie berührend, herausfordernd und erfüllend die
Begleitung von Asylsuchenden sein kann,
beschreibt Gabi Schröder eindrücklich und
engagiert in ihrem Erfahrungsbericht über ihren
Weg mit Amin aus Afghanistan. Der Familienvater
leidet darunter, dass seine Frau und sein Kind
nicht nachreisen können. Gabi schreibt: «Sein
Leid berührt mich sehr. Es fällt mir schwer,
seine Ohnmacht und meine Hilflosigkeit
auszuhalten. Nach und nach lerne ich, immer neu
offen zu sein für das, was gerade ist, und nicht
nachzulassen in meiner Präsenz und meinem
Mitgefühl.»
Unter der Rubrik «Über den Tellerrand» finden
sich zwei Erfahrungsberichte, die
Kontemplationslehrerinnen mit Projekten
ausserhalb der der via integralis gemacht haben:
Wiborada heute und der Garten vom Kloster Fahr.
Wiborada, eine Frau im 10. Jahrhundert, liess
sich an einer Kirchenwand einmauern um ihr Leben
ganz Gott zu widmen. Sie wurde so zu einer
Quelle von Trost, Rat und Halt für viele
Menschen der Stadt St. Gallen. Carola Zünd
liess sich im Rahmen des Wiborada-Projekts 2021
für eine Woche einschliessen und beschreibt
ihre Erfahrung als Inklusin. Ein Dokument
gelebter Verbundenheit mit den Fragen der
Menschen während einer Woche der Stille.
Dass Spiritualität zutiefst mit Liebe zur
Mitwelt verbunden ist, zeigt der Artikel von
Claudia Nothelfer zum Laudato si’-Garten im
Kloster Fahr. Mit Franz von Assisi können wir
beim Lesen und Betrachten der Bilder singen:
«Lobt Gott mit allen Käfern, Insekten und
Würmern, lobt die Quelle allen Lebens mit
Kräutern und Blumen und ihrem Duft, lobt den
göttlichen Urgrund mit eurer Sorgfalt und Liebe
zur Schöpfung!»
Der Rückblick von Francesco Pedrazzini auf die
Fortbildung der Kontemplationslehrenden im
September ermöglicht den Lesenden Miterleben und
Einschwingen. Inmitten der prächtigen Natur des
Schwarzwaldes führte der Musiker und Komponist
Peter Roth die Teilnehmenden in Erfahrungen mit
dem Thema «Der Ton des Seins erklingt ohne
Unterlass …» (Graf Dürkheim). Dass die ganze
Fortbildung draussen stattfinden konnte, war ein
Geschenk des Himmels und der Erde. Stille und
Klang erfahren zu dürfen, eingebettet in die
Natur, in Sonne, Wind und Schatten, in
Abenddämmerung und Nacht, führte in eine tiefe
Verbundenheit. Woher kommt der Klang? Wohin
verklingt er?
Wenn aus einem Militärgebäude ein Retreat-Zentrum
wird, dann befinden wir uns in Lettland.
Wo Kriegsführung geübt wurde, entsteht ein
Meditationshaus, in dem Befreiung auf ganz
tiefer Ebene erfahren werden kann und für ein
friedvolles, bewusstes Zusammenleben fruchtbar
wird. «Aus Schwertern werden Pflugscharen» …
Jürgen Lembke berichtet vom Besuch beim
lettischen Zweig der via integralis. Indulis
Paičs, Inga und Juris Rubenis hatten die zweite
Ausbildungsgruppe geleitet. Im Beisein von
Hildegard Schmittfull und Jürgen Lembke wurde
den Absolvent*innen nun die Lehrerlaubnis
erteilt. Grossartig, was in Lettland mit vielen
Engagierten gewachsen ist und neu entsteht. Wir
schicken einen herzlichen Glückwunsch für die
blühenden und angedachten Projekte zu unseren
Freund*innen nach Lettland.
In der Rubrik «Kontemplationsgruppen vor Ort»
erhalten wir Einblick in die
Kontemplationsgruppen der via integralis in der
französischsprachigen Schweiz und in Frankreich.
Spannende Lektüre für Lehrende und Menschen, die
sich auf dem Weg begleiten lassen, ist der
Artikel von Hildegard Schmittfull über das
Verhältnis von Lehrenden und Schüler*innen.
Eine tiefgründige und sehr lesenswerte
Betrachtung dieser speziellen Wegbegleitung.
Ebenso einladend ist die Rezension von Hella
Sodies über das soeben erschienene Buch unseres
Gründervaters Niklaus Brantschen. In seinem
neuen Buch «Gottlos beten – eine spirituelle
Wegsuche» plädiert Niklaus für eine
Spiritualität mit Bodenhaftung und grosser
innerer Weite. Spiritualität zeigt sich im
konkreten Leben mitten in der Welt.
Passend zum aktuellen Thema dieses Newsletters
laden wir Interessierte, Meditierende und
Lehrende zum Offenen Frühlingstreffen am
21. Mai 2022 in St. Gallen ein. Dieses Treffen
will Gemeinschaft erfahrbar machen und steht
unter dem Thema «Was braucht die Welt heute?
Spiritueller Weg und Weltoffenheit».
Dieser Newsletter kommt in die Vorweihnachtszeit,
in der wir uns ausrichten auf die Menschwerdung
Gottes in Jesus Christus und in uns allen. Für
Jesus gehörten Menschenliebe und Gottesliebe
unabdingbar zusammen. Von ihm können wir lernen,
ein gutes Gleichgewicht von Rückzug in die
Stille und Engagement für Andere zu finden.
Wagen wir, Christus vor Augen und im Herzen,
mutige Schritte zu machen, gelenkt von Liebe und
Mitgefühl.
Regula Tanner und Margrit Wenk-Schlegel,
spirituelle Leitung via integralis
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Über das Handeln im Aussen
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Ein spiritueller Impuls von Jürgen Lembke
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Das Schwerpunktthema dieses Newsletters ist das
Handeln im Aussen, zum Wohl der Welt. Es ist ein
schwer fassbares Thema und ich fürchte, es gibt
kein einfaches Rezept, wie wir zum Wohl der Welt
beitragen könnten. Wie für viele Generationen
vor uns, liegt es an uns, die Herausforderungen
der Zeit anzunehmen. Dazu laden die folgenden
Gedanken ein.
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Geführt von Adrian Zimmermann
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Es ist ein warmer, sonniger Nachmittag im August.
Wir treffen uns bei Sepp zuhause in Burgdorf.
Wir sitzen auf der Terrasse, vor uns ein üppiger
Garten, rundherum weitere Mehrfamilienhäuschen
aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.
– AZ: Lieber Sepp, wir kennen uns schon länger,
seit 2004, waren beide Zen-Schüler von Niklaus
Brantschen und haben gemeinsam den ersten
Lehrgang der via integralis absolviert. Wie bist
du eigentlich zum Zen gekommen?
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Amin aus Afghanistan – Leben zwischen zwei Welten
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Meine erste Begegnung mit Geflüchteten war
Anfang 2016. In unserer Nachbargemeinde Eschbach
mit knapp 2500 Einwohnern war im Zuge der
grossen Zuwanderung von Asylsuchenden Ende 2015
eine Gemeinschaftsunterkunft mit bis zu 1000
Bewohnern errichtet worden. Für den kleinen Ort
war das eine sowohl organisatorische als auch
strukturelle Herausforderung. Gleichzeitig gab
es ein grosses Engagement in der Gemeinde.
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Ein Blick über den Tellerrand von Carola Zünd
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Zehn Frauen und Männer lassen sich von April
bis Juli in einer nachgebauten Zelle bei der
Kirche St. Mangen für je eine Woche
einschliessen. Sie werden jeden Tag mit Essen,
Brot und frischem Wasser versorgt. Das
Innenfenster ist offen zum Kirchenraum.
Schriftliche Gebetsanliegen können von der
Kirche her in das Fenster gelegt werden. Das
Aussenfenster führt zur Stadt. Zweimal täglich
wird es für Besuchende geöffnet.
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Laudato si’-Garten – Schöpfungsspiritualität im Kloster
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Ein Blick über den Tellerrand von Claudia Nothelfer
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Im Juli und August besuchte ich mit einer Gruppe
den wunderschönen, liebevoll gepflegten Laudato
si’-Garten im Kloster Fahr. Novizin Judith
Samson erwartete uns mitten in einer
unbeschreiblichen Farbenpracht von heimischen
Blumen, Nutzpflanzen und Heilkräutern.
Unablässig werden von deren Duft zahllose
Insekten und Schmetterlinge angezogen.
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«Der Ton des Seins erklingt ohne Unterlass …» mit Peter Roth
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Ein Rückblick auf die Fortbildung der via integralis Lehrenden vom 3. bis 5. September 2021 auf dem Maria Lindenberg von Francesco Pedrazzini
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Die Fortbildung für Kontemplationslehrer fand
dieses Jahr bei prächtigem Wetter statt und so
konnte Peter Roth praktisch sein ganzes
Programm im Freien durchführen. Ein Anlass für
alle Sinne im Einklang mit der Natur. Klang und
Stille waren eins... «Der Klang führt mich über
mich selbst hinaus, führt mich in einen Raum,
der grösser ist als wir selbst. Darum ist für
mich Klang Spiritualität.»
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Eine Reise zur via integralis Lettland
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Vom 8. bis 11. Oktober waren Hildegard
Schmittfull, Spirituelle Leiterin AD und Jürgen
Lembke, Präsident der via integralis zu Gast
bei der via integralis Lettland, um gemeinsam
mit den Lehrgangsverantwortlichen der
feierlichen Ernennung der
Lehrgangsabsolvent*innen der Lassalle
Kontemplationsschule beizuwohnen. Die
Impressionen dieser Reise geben einen Einblick
in diesen aktiven via integralis Zweig an
Europas östlicher Grenze.
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Die Kontemplationsschule via integralis in den französischsprachigen Regionen
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Kontemplation vor Ort im Fokus, von Yves Saillen
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Mit dem via integralis Newsletter Nummer 12
erscheint unter der Rubrik
«Kontemplationsgruppen im Fokus» diesmal ein
Beitrag aus dem französischsprachigen Raum. Vom
Schweizer Jura bis ins französische Annecy
finden sich diverse Möglichkeiten um
Kontemplation zu üben. Der Beitrag, der primär
an das frankophone Publikum gerichtet ist,
erscheint im französischen Original und
beinhaltet die historische Entwicklung der via
integralis. Der Beitrag ist in der deutschen
Übersetzung über den entsprechenden Link
zugänglich.
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Von Lehrer*innen und Schüler*innen
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Von Hildegard Schmittfull
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Im April dieses Jahres haben wir eine
Fortbildung zum Thema
Lehrer*in-Schüler*in-Verhältnis durchgeführt
und sind der Frage nachgegangen: Was ist die
Rolle der spirituellen Autorität in der
Begleitung auf dem spirituellen Weg nach innen.
Wir haben den Blick auf die zen-buddhistische
und die christlich-kontemplative Tradition
gerichtet und festgestellt, dass im Zentrum
persönlicher, spiritueller Höherentwicklung
jahrtausendelang die hierarchische Beziehung
zwischen Lehrer*in und Schüler*in stand. Doch
die mit der Postmoderne einhergehende
Autoritätskrise und ihr Gleichheitsideal haben
dieses Verhältnis relativiert…
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«Gottlos beten. Eine spirituelle Wegsuche» von Niklaus Brantschen
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Lesetipp von Hella Sodies
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«Die Wirklichkeit, die wir ‘Gott’ nennen, hat
einen Namen. Der Namen lautet ‘Liebe’. ‘Liebe’
ist – man verzeihe den Vergleich – ein anderes
Wort für ‘Gruppenkleister’.» Eine von vielen
kernigen Aussagen, mit denen Niklaus Brantschen
in seinem neuen Buch «Gottlos beten» sowohl
religiös Sozialisierte wie auch Atheist:innen
und Menschen, die kirchlichen Institutionen
fernstehen, zu einer «spirituellen Wegsuche»
einlädt.
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Was braucht die Welt heute? Spiritueller Weg und Weltoffenheit
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Nachdem wir in diesem Jahr die Veranstaltung
nicht durchführen konnten, laden wir erneut ein
zum Offenen Frühlingstreffen am 21. März 2022
in St. Gallen.
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via integralis, CH-4000 Basel
info@viaintegralis.ch,
www.viaintegralis.ch
Redaktionsmitglieder:
Margrit Wenk-Schlegel, Hella Sodies, Jürgen
Lembke, Gabi Schroeder, Francesco Pedrazzini,
Adrian Zimmermann
Layout / Newsletter-Mailversand:
Thomas Borghoff – Web Engineering,
www.borghoff.de
Bildnachweis:
Jürgen Lembke, Claudia Nothelfer, Francesco
Pedrazzini, Yves Saillen, Adrian Zimmermann
Auflage:
Der Newsletter wird an rund 800 Abonnenten aktiv
versendet.
Erscheinungsweise:
zweimal jährlich, jeweils vor Pfingsten und vor
dem 1. Advent.
Einblick in die Newsletterausgaben mit allen
bisher erschienenen Artikeln und Texten finden
Sie auf unserer Website www.viaintegralis.ch.
Dort finden Sie ebenfalls Hinweise zu aktuellen
und geplanten via integralis Anlässen.
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